Die Nacht war eigentlich ganz okay - glücklicherweise gab es noch extra Wolldecken für alle Schlafplätze in der Unterkunft, denn es wurde nachts ziemlich frostig und ohne Wolldecke hätte ich richtig gefroren. So konnte ich ganz gut schlafen. Die Jungs hatten ordentlich getankt und waren jeweils einzeln ins Bett getorkelt und mussten auch oft wieder auf Toilette...es war ein stetes Kommen und Gehen und einige der anderen Pilger waren darüber mehr als verschnupft und taten das auch lautstark kund. Früh am Morgen nahm ich leise meinen vorgepackten Rucksack und meine Siebensachen und taperte nach unten. CLaudia folgte mir ein paar Minuten später. Wir liefen gemeinsam los. Ein paar 100 Meter weiter den Weg zurück an die Küste lag eine kleine Bäckerei. Dort frühstückten wir erstmal gemütlich: lecker Croissants und einen großen Pott Milchkaffee. Als wir bezahlen wollten, glaubten wir beide uns beim Preis verhört zu haben. Alles war so unglaublich günstig. Als wir fertig waren und uns vor der Bäckerei in Gummi packten -es fing wieder an zu regnen- kamen der ganze Haufen Jungs aus der Herberge zum Frühstücken und stürmten den Laden. Gut, dass wir fertig waren.
Bis Via de Conde liefen Claudia und ich gemeinsam. Es regnete mittlerweile in Strömen. Der Weg ging stets auf diesen Holzbohlenwegen an der Küste entlang von einem kleinen Kaff zum nächsten. War doch ziemlich zersiedelt der Teil der Küste hier. Wettertechnisch hatte das Ganze mehr von England. Viel Wind und ordentliche Mengen an Regen. In Via de Conde machten wir eine lange Pause in einem super niedlichen kleinen Cafe. Bei lecker frischgepressten O-Saft, Milchkaffee und süßen Teilchen ratschten wir noch eine ganze Weile. Claudia wollte weiter den Küstenweg laufen, ich den Weg durch's Landesinnere. Und so trennten sich unsere Wege hier, wir verabredeten uns aber entweder in Santiago oder Muxia wieder zu treffen oder sogar noch eine Etappe gemeinsam zu laufen.
Nach Via de Conde verlief der Weg auf Landstraßen und kleineren Wegen meist über Kopfsteinpflaster oder Asphalt von einer kleinen Ortschaft zur nächsten. Landschaftlich mal sowas von gar nicht reizvoll. Zudem machte das Wetter das mir fehlende Grün und das viele Grau der Mauern und Straße noch weniger hübsch. Am frühen Nachmittag hörte der kräftige Regen dann zum Glück auf. In einem kleinen Minicafe am Wegrand legte ich eine längere Cola-Pause ein. An diesem Tag traf ich keinen weiteren Mitwanderer und musste die Straße nur ab und an mit recht rasant vorbeifahrenden Autos teilen. Die hörte man aber zum Glück schon von Weitem, bei dem Kopfsteinpflaster machte jedes noch so kleine Auto ordentlich Lärm und warnte mich vor.
Nachmittags so gegen drei Uhr kam ich in Rates bei meiner für heute angepeilten Unterkunft an. Bei schönem Wetter wäre ich noch zur nächsten weitergelaufen, da es aber wieder angefangen hatte zu schütten, war hier für mich an dem Tag Schluss. Mein Einchecken dauerte ewig. Etwas arg wichtig nahm es die Herbergsbesitzerin mit diesem Stempelritual und dem Prozedere um diesen Pilgerpass. Mir war das nicht wichtig und so hatte ich auch tagsüber das Ding nirgends abstempeln lassen, warum auch. So bekam ich einen laaaangen Vortrag zum Pilgerpass und über das "Muss des Stempelns". So ein Schmarn, das Ding als "Beweis" ständig abstempeln zu lassen...ich brauchte das nicht als Beweis, dass ich die Strecke gelaufen bin. Einzig um in den Herbergen schlafen zu können. Sie schien das nicht wirklich zu verstehen...jeder zweite Satz war: "Sie bekommen dann keine Compostela in Santiago"....na und?
Irgendwann ließ sie mich dann doch endlich ins Zimmer abziehen. Ihr Mann zeigte mir meinen Schlafplatz und erklärte mir die Duschen und die Waschräume. Als erstes hängte ich meine nassen Regenklamotten an die Wäscheleine im Gang vor den Zimmern und wartete darauf, dass das Duschwasser warm wurde. Nach ner Viertelstunde konnte ich dann unter die leider lauwarme Dusche und danach machte ich es mir auf meinem Bett gemütlich. Langsam füllte sich die Herberge, immer mehr Wanderer trudelten patsch nass ein und am späten Nachmittag war ich sogar über die lauwarme Dusche froh, denn die Leute, die jetzt ankamen, bekamen nicht mal mehr das. Der Boiler kam nicht hinterher und hatte den Geist aufgegeben.
Abends lief ich mit einem ganzen Schwung anderer Wanderer zu einem der umliegenden Restaurants, um was zu essen. Die Pilgermenüs, die angeboten wurden, waren mir viel zu viel. Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise passten einfach nicht rein. So bestellte ich "nur" ein Gericht. Bis der Kellner das verstanden hatte, dauerte es allerdings etwas. Kam wohl nicht häufig vor, dass Wanderer nicht das komplette Pilgermenü bestellen wollten. Nach dem Essen ging ich gleich wieder retour zur Herberge und machte es mir mit einem heißen Tee in dem kleinen Aufenthaltsraum gemütlich. Etwas "Tagebucheintrag-schreiben" und "Im-gelben-Büchlein-Lesen" später verkrümelte ich mich in mein Bett und schlief auch recht schnell ein.
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
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