TAG 7

Tamel - Ponte de Lima

Die Nacht war okay und diesmal auch nicht so kalt. Endete allerdings um sechs Uhr in der Früh, als die benachbarte Kirchturmglocke digital aus den Lautsprechern sowas von laut "Hallo wach" brüllte. Danach brauchte ich nicht leise einzupacken...war eh jeder wach. Bei Nebel machte ich mich gleich in der Früh auf. Heute sollte es geplant nach Ponte de Lima gehen, einem kleinen Touristädtchen mit schöner Altstadt und viel Geschichte. Der Weg war anfangs wieder so, wie gestern und vorgestern: Teer, Asphalt und Kopfsteinpflaster. An einer kleinen mittelalterlichen Kirche stolperte ich auf dem Vorplatz (natürlich mit Kopfsteinpflaster befestigt) fast über eine Glückskatze. Die war durch ihre Färbung kaum vom Untergrund zu unterscheiden, nur das leise "Miauuu" verhinderte, dass ich drauf getreten wäre. Katze im Kopfsteinpflaster-Tarnlook - die natürliche Anpassung an die Umgebung, perfekt für's Jagen nach was auch immer auf dem Untergrund ;-) 

Die Landschaft änderte sich langsam etwas. Die Hügel wurden ein bisschen höher und der Weg führte an Weinbergen -eigentlich eher Weinhügeln- entlang. Hatte ein bisschen Ähnlichkeit mit Südtirol. Rechts und links qualmte es immer mal aus den Wäldern und es hingen leichte Rauchschwaden in der Luft. Nach den Regentagen wunderte mich das etwas, da konnte doch gar nichts mehr brennen bei dem vielen Wasser von oben. Mittags änderte sich auch endlich der Untergrund: der Weg führte in Wellen durch kleine Wäldchen über sandige Feldwege. Endlich Natur. An einer Stelle kokelte der Wald noch ganz ordentlich direkt neben dem Weg, aber die Absperrbänder und Schilder waren auf die Seite geräumt worden. So lief ich einfach weiter. Leider war die Natur recht schnell wieder vorbei und ich stand im nächsten Dorf vor der nächsten Kirche. Danach ging es wieder von einem Ort zum anderen über uralte Verbindungswege. Rechts und links mit einer Mauer begrenzt und manchmal mit Rankhilfen für die Weinreben überdacht. Bis Ponte de Lima änderte sich das nicht großartig. Gegen frühen Nachmittag stand ich am Anfang einer langen Plantanen-Allee - ich war in Ponte de Lima angekommen. Diese Allee zog sich ganz schön. Schnurgerade ging es durch die hohen alten Bäume mit Blick auf eine lange Brücke über den breiten Fluss. Ich war wieder viel zu früh da und so tingelte ich noch durch's Städtchen und hielt Ausschau nach Restaurants für später.

Nachdem ich auf dieser Flussseite durch alle kleinen Gässchen durch war, lief ich über die lange Brücke in Richtung Herberge. Die konnte man schon von weitem ausmachen, da im Innenhof der Unterkunft eine riesige Palme stand und die überragte selbst die Kirchtürme und war so gut sichtbar. Beim Überqueren des Flusses über die mittelalterliche Brücke wunderte ich mich über die Musik, die aus Lautsprechern oben an den Laternen kam. Was ein Kitsch und eine Energieverschwendung. Mit James Last im Ohr schlenderte ich dann über die Brücke auf die andere Seite zu der Herberge. Die hatte noch zu. So setzte ich mich gegenüber auf eine der Bänke und wartete bis die Türen öffneten. Es wurden bis 16.00 Uhr etwa 40 Leute, die alle da rein wollten und wenn man jetzt denkt, dass einige dieser "Pilger" Rücksicht beim Anstehen der eigentlich Ankommensreihenfolge wegen oder vielleicht sogar auf Ältere nehmen, der liegt weit daneben! So viele rücksichtlose Vordrängler und Deppen, hatte ich bis dato auf dem Weg noch nicht kennengelernt. Das zum Thema "christliche Nächstenliebe". Und für mich was zum Fremdschämen: es waren nämlich meine Landsleute, die sich so nett aufführten! Die Schlange vor der Tür war lang und die Sonne machte das Anstehen jetzt nicht unbedingt angenehmer. Nachdem ich zwei ältere Damen vorgelassen hatte (die waren mehr als k.o. und es gab nichts zum Sitzen in der Warteschlange), schnauzte einer meiner Landsleute hinter mir für alle gut hörbar auf Deutsch, was für eine dumme Gans ich wäre. Da platzte mir der Kragen und ich ließ gleich nochmal zwei Pilger, die hinter ihm standen und die ebenfalls völlig fertig aussahen, vor. Konnte mir auch einen Kommentar ebenfalls gut hörbar und auf Englisch (damit's alle verstehen) über den Arsch nicht verkneifen.

Es dauerte eine gute Stunde bis ich dann nach einem langen Prozedere um diesen Pass, den Stempeln und dem Pilgerweg endlich ein Bett zugeteilt bekommen hatte. Die Herberge wurde komplett von Ehrenamtlichen an jeden Tag im Jahr (!) geführt und wie sich der ein oder andere Mitwanderer in der Warteschlange und beim Eincheck-Gespräch aufgeführt hat, hatte nichts mit irgendwas Christlichem zu tun! Hut ab vor den Menschen, die sich das freiwillig tagtäglich antun.

Nachdem ich kurz Wäsche gemacht und auf der tollen Dachveranda der Herberge aufgehängt, eine schnelle Dusche hinter mich gebracht und mein Bett bezogen hatte, lief ich zusammen mit dem Pärchen, das ich vorhin vorgelassen hatte, ratschend ins Städtchen auf die andere Brückenseite. Wir hockten uns zusammen in eines der kleinen niedlichen Restaurants und bestellten alle samt das Pilgermenü. Meinen Rest würde Dimitri essen ;-) der Kerl konnte, so wie er aus sah, eine halbe Sau auf Toast verdrücken. Dimitir und Elena, ein Ehepaar aus Sibirien, liefen seit einer Woche den Weg von Porto immer so 15 Kilometer pro Tag. Was krass war: er konnte keinen Strich Englisch, Portugiesisch oder Spanisch. Nur sie konnte sich hier bei den Leuten mit etwas Portugiesisch und Englisch verständlich machen - dazu gehört echt Mut fand ich. Die Unterhaltung war auf jeden Fall super lustig - Elena und ich unterhielten uns in Englisch, sie übersetzte meist gleich für ihn und dann für mich seine Antwort wieder retour.

Das Pilgermenü bestand aus einer Gemüsesuppe, einem riesigen Berg Nudeln mit Gulasch mit Salat und danach leckerem festen Pudding mit Nüssen. Die Suppe wanderte gleich zu Dimitri und die Hälfte des Gulaschberges danach ebenfalls. Der Nachtisch blieb bei mir ;-) wir ratschten noch eine ganze Zeit, es setzten sich auch noch weitere Wanderer dazu. Dimitri und Elena kannten die alle. Die Unterhaltungen waren echt witzig, ein kunterbuntes Wirrwarr aus Englisch, Russisch und Deutsch. Gegen kurz vor neun machten wir uns alle wieder in Richtung Herberge auf, denn diese machte die Türen um punkt zehn Uhr zu! Unser Grüppchen verteilte sich dann auf den vier Etagen der Unterkunft, jeder verkrümelte sich ins Bett. Leise holte ich noch meine Klamotten von der Veranda rein und packte meinen Rucksack für den nächsten Morgen vor. Mit Ohrstöpseln im Ohr und rechtschaffen müde wie ich war, funktionierte das Einschlafen ganz gut.