Richtig erholt und ausgeschlafen packte ich mein Zelt kurz nach dem es hell geworden war zusammen. Hatte 10 Stunden geschlafen und das ohne zwischendrin mal aufzuwachen. Gut gelaunt stapfte ich nach ein paar Bröselkeksen zum Frühstück in Richtung Schluchteingang. In der Schlucht war es anfangs noch richtig dunkel. Nachdem ich den Eintritt von 5 Euro bei einem etwas komisch dreinschauenden Ranger bezahlt hatte, folgte ich dem wirklich tollen Weg stetig leicht bergauf in die Schlucht. Die wurde immer enger und die Wände zu beiden Seiten immer höher - zum Glück hatte ich mich jetzt dafür entschieden, sonst hätte ich das nicht zu sehen bekommen. Die Geschichte der Schlucht kann man sich wirklich gut vorstellen, wenn man direkt vor Ort steht. Dann weiß man bzw. sieht man warum sich hier nur ein paar Kreter gegen eine ganze Türkenarmee zur Wehr setzen konnten.
Lange Zeit bis zum alten Dorf Samaria kam mir keine Menschenseele entgegen bzw. überholte ich auch niemanden. Kurz nach den Ruinen des alten Samaria stapfte ein etwas morgenmuffeliger Ranger mit seinem Muli an mir vorbei. An einer kleinen Kapelle machte ich Pause. Toll so menschenleer und auch von den Temperaturen und der Steigung her war das jetzt nicht wirklich anstrengend gewesen. Etwa ab der Hälfte der Schlucht kamen mir die ersten Wanderer entgegen, erst vereinzelt, dann zunehmend in großen Gruppen. Die Busse aus Chania oder den anderen Tourihochburgen an der Nordküste fahren den Schluchteneingang an der Omalosebene etwa gegen 11.00 Uhr an und laden die vielen Wanderer aus. Diese laufen dann meist knappe 3-4 Stunden die 17km lange Schlucht bis nach Agia Romeli runter, fahren mit der Fähre nach Sfakia und mit Bussen wieder zum Ausgangspunkt zurück. Ab und zu kam ich mir vor, wie bei uns daheim an den Schlössern. Menschenmengen, die nicht aufeinander achtgeben, einfach vor sich her stapfen und null Rücksicht auf andere nehmen...grausig. Mit meinem dicken Rucksack gab's den ein oder anderen Rempler...was erdreiste ich mich auch die Schlucht in der falsche Richtung zu laufen. Ich glaub immer noch, dass der ein oder andere genau das gedacht hat...Einbahnstraße Samariaschlucht, nur runter zu laufen, nicht rauf!
Das letzte Stück der Schlucht ging es dann doch ordentlich steil im Zick Zack zuerst sandige Serpentinen und danach auf einem recht breit angelegtem Steinweg rauf. Ab und zu waren Aussichtsplattformen eingebaut worden, so dass man sich die Berge rund herum und die Aussicht runter in die Schlucht gemütlich anschauen konnte. Nach einem zugegeben arg schweißtreibenden letzten Stück, spuckte mich die Schlucht oben am Busparkplatz oberhalb der Omalosebene aus. Den Rangern musste ich zum Abstempeln am Ausgang mein Ticket zeigen - die kontrollieren so wer in der Schlucht ein und ausgeht und vor allem, dass keiner drin bleibt. Der sagte mir auch gleich, dass ich die erste seit zwei Wochen bin, die hochgelaufen ist und lud mich prompt auf eine Cola ein. Da konnte ich nicht wirklich nein sagen und dackelte dem laut plappernden Ranger zum Kiosk hinterher. Ich hatte noch nicht mal den Rucksack richtig abgesetzt, da stand er schon mit zwei Coladosen wieder vor mir und plapperte ununterbrochen in einem so gebrochenen Englisch, dass ich nichts verstand. Auf einem der Tische vor dem Kiosk breitete er dann eine Karte aus und zeigte mir, welche Ziele sich in den Bergen hier wandertechnisch lohnen würden. Auch zeigte er mir Stellen mit Wasserquellen auf der Karte, die trotz des trockenen Winters noch Wasser hätten. Viele der üblichen Quellen wären ausgetrocknet und einige Wanderer, erzählte er, hätten in dem Jahr schon arge Probleme deshalb bekommen. Als er dann von der einzigen bewirtschafteten Hütten oben in den Bergen erzählte, wurde ich hellhörig. Da wollte ich hin. Nach ner guten Viertelstunde Dauerbeschallung packte ich meine Sachen zusammen, bedankte mich bei ihm und latschte den (hier erstaunlicherweise neuen, nicht durchlöcherten) E4-Schildern hinterher. Etwas weiter oben packte ich mein Handy raus, suchte in GoogleMaps nach der Hütte und fand doch tatsächlich eine Telefonnummer. Nach einem kurzen Telefonat hatte ich meinen Schlafplatz und ein Abendessen sicher und konnte mich in aller Gemütsruhe in Richtung der Kallerghi-Hütte aufmachen. Der Weg schlängelte sich die Berge hoch, recht breit und prima zu laufen. Langsam wurden die Schatten länger und die Temperaturen vergleichsweise kühl. Etwa um vier Uhr erreichte ich die Hütte. Toll gelegen am höchsten Punkt des Berges und mit prima Rundumblick. Und sogar bis zu meinem Ausgangspunkt am Meer konnte man von dort aus sehen. Nach dem Einchecken und dem Auspacken bestellte ich mir eine Cola und bekam das Abendessen serviert - die geilste Linsen-Gemüse-Irgendwas-Suppe ever! War echt super lecker. Die Hütte ist sogar eine AV Hütte, zumindest klebten überall Sektionsaufkleber von der Sektion Bremen und sogar die typischen AV-Decken lagen auf den Betten. Den Sonnenuntergang schaute ich mir zusammen mit einem deutschen Pärchen und einer witzigen fünf-Mann-starken holländischen Wandertruppe an. Es wurde so kalt, dass ich kaum anständige Fotos zustande brachte vor lauter Zittern. Wolkenfetzen stiegen von unten hoch, die Sonne ging rot unter und im Himmel über uns kreisten total nah ganz viele Bartgeier. Wirklich ein krönender Abschluss eines tollen Wandertages. Ich hatte heute eine Stecke von 0 auf knappe 1800hm und einem vollbepacktem Rucksack gemacht und das Knie hatte prima gehalten - dementsprechend gut gelaunt und zufrieden mit der Entscheidung die Küste verlassen zu haben, legte ich mich in mein Bett.
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
Noch so Wandersüchtige: www.wanderbursche.net / www.soultrails.de / darwinonthetrail.com
Und hier, einfach nur toll: www.illpushyou.com