So, hier kann ich jetzt schreiben, dass die Nacht sowas von herrlich war - ich hatte unglaublich gut geschlafen und war quietsch vergnügt über das tolle Wetter und die herrliche Herberge schon frühmorgens aufgestanden. Ich packte meine Sachen zusammen, schlürfte gemütlich einen großen Pott Kaffee in der warmen Küche und strawenzelte noch über den Hof, bevor es zur Morgenandacht ging. In der kleinen unscheinbaren Kapelle gab es glaub ich in fast jeder Sprache dieser Welt eine Bibel. Und zur Messe las dann jede anwesende Nationalität in der eigenen Sprache ein und den selben Text vor - fein säuberlich vorbereitet von Christiane. Hatte echt was. Sollte jeder, der hier vorbeikommt mitgemacht haben.
Nach der Messe verabschiedete ich mich und machte mich auf in Richtung Hjerkinn. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel, die Umgebung war sagenhaft schön und so unglaublich ruhig - einfach toll hier. Einzig der wirklich eiskalter Wind störte ein bisschen. Es wechselten sich steinige Wegabschnitte mit matschigen ab. Bergauf bergab verlief der schmale Pfad durch das Fjell. Die Zeit ging rasend schnell vorbei und ebenso die Kilometer. Zwischendurch verlief der Weg auf Bohlen bzw. Brettern über sumpfige Wiesen - manchmal fehlten die Bretter auch und es hatte was von Storch im Salat, wie ich da versuchte nicht ganz so nasse Füße zu bekommen. Half alles nichts, denn nach einer Weile erreichte ich einen großen See und auf dem Weg drumherum steckte ich dann das erste Mal bis zu den Knien im Schmodder. War trotz Matsch und Schlamm klasse, zwar anstrengend aber ungemein spaßig. Krüppelige Birken säumten den Weg um den See - einfach herrlich. Auf der anderen Seite des Sees angekommen überquerte ich einen schicken Fluss und konnte in der Entfernung das erste Mal mein Ziel für heute erahnen, die Hjerkinn Fellstue. Im Zick und Zack ging es durch kleine sumpfige Wäldchen zügig voran, bis zu einem breit angelegten Sandweg. Da war's nicht wirklich gut zu laufen. Zu allem Überfluss standen dann dort auch noch Warnschilder vor Moschus-Ochsen. Nicht, dass die Viehcher generell eh viel schneller als ich gewesen wären, ich wär auf dem Sandweg noch dazu kaum vorwärts gekommen auf einer möglichen Flucht zu einem größeren Baum am Wegesrand. Man-o-man ging mir der Stift. Aber kein Ochse weit und breit und nach ner guten Stunde lief ich dann durch das große Eingangstor von Hjerkinn, einem schicken Pferdegestüt mit Campingplatz, Hotel und einem Mini-Pilger-Häuschen. Mir viel es nicht wirklich schwer mich für eine Übernachtungsvariante zu entscheiden, da die Version "im eigenen Zelt auf dem Campingplatz" nur knappe 100 NOK günstiger gewesen wäre, als die Version "Pilger-Häuschen"! Nach dem Einchecken und Bezahlen breitete ich erstmal meine Matschklamotten auf der Veranda vor dem Häuschen aus und versuchte zumindest den gröbsten Matsch weg zu bekommen. War gar nicht so einfach.
Mit mir waren noch ein Vater-Sohn-Gespann aus der Schweiz mit im Pilger-Häuschen. Die waren aber schon am Vortag angekommen und hatten hier einen Pausentag eingelegt. Die Dusche lag den Hügel runter in Richtung Campingplatz und war jetzt so naja...lauwarm und nicht wirklich gepflegt. Im Vergleich zum Vortag auf Fokstugu oder dem davor auf Engelshus fast schon bäh. Aber egal. Frisch geduscht, trocken und matschfrei plünderte ich in der Empfangshalle des Hotels den kleinen Getränkeautomaten und die Snackabteilung :-) teure, aber seeeehr leckere Chips waren das. Meine Klamotten waren im Wind vor der Hütte super schnell trocken, nur die Schuhe nicht wirklich und so lief ich nochmal zurück zum Hotel und fragte nach alten Zeitungen zum Ausstopfen. So verbrachte ich Chips-mampfend und Cola-trinkend den restlichen Abend auf der Bank vor der Hütte in der Abendsonne mit super Aussicht auf einen See und sah belustigt zwei Mädels zu, wie sie versuchten die wirklich große Pferdeschar von der einen in die andere Pferdekoppel zu treiben. Immenhof auf norwegisch, sehr kurzweilig.
Um kurz nach acht Uhr packte ich meine ganzen Klamotten für den Morgen vor, legt nochmal Zeitung in den Schuhen nach und kuschelte mich in meinen Schlafsack. Mit Hörbuch im Ohr dauerte es gar nicht lang und ich war im Land der Träume.
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
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