Diesmal war ich früher aus den Federn als mein Mitbewohner, hatte richtig gut geschlafen und war dementsprechend fit. Nach fast 10 Stunden Schlaf sollte man das auch sein. Der Kaffeeautomat spuckte mir nochmal so ein leckeres Heißgetränk aus und nach einer Schüssel dampfenden Porridge packte ich mich dann "z'am" und lief bei richtig gutem Wetter los. Es war zwar noch etwas frisch so früh am Morgen, aber der blaue Himmel versprach super Wanderwetter. Nach der Herberge führte der Weg noch ein Weile über die Teerstraße an kleinen Häuschen vorbei bis zu einem größeren See. Dort flogen jede Menge Maifliegen rum, war wohl gerade Maifliegenschlupf - wobei die Fliegen hier sicher anders genannt wurden...war ja mittlerweile schon Juli. Insgesamt sehr hübsch anzusehen. Nach dem See ging es auf Schotter stetig den Hügel hoch. Hier standen rechts und links des Weges schicke Ferienhäuschen rum. Die Dächer waren alle mit Gras bewachsen und auf vielen der kleinen Häuschen wuchsen Margeriten - sah toll aus.
Meine erste länger Pause machte ich an einem prima Pausenplatz: eine große, an einer Seite offene Hütte mit Sofa und allen möglichen Partyutensilien. Hier feierten sicher Einheimische am Wochenende, zumindest sah es so aus. Ich setzte mich auf's große Sofa und legte die Füße hoch. Direkt über mir brütete ein Gartenrotschwänzchen in einer Nische zwischen zwei Hängeregalen und fand das gar nicht gut, dass ich da saß. Nachdem ich den Rest meiner Krümelkekse aufgemümmelt hatte, lies ich den Vogel wieder in Ruhe brüten und lief weiter. Der Schotterweg hörte bei der Hütte auf und ging in einen Trampelpfad über. So langsam änderte sich die Landschaft in Richtung Moor. Der Untergrund wurde weicher und moosiger und natürlich auch nasser. Zwischendurch waren Bretter ausgelegt, allerdings hatte der Dauerregen der letzten Tage das Moor ordentlich mit Wasser "versorgt" und die Bretter waren meist überschwemmt. War trotzdem toll dort zu laufen. Ein herrliches Hochmoor rechts und links machte die Etappe wirklich zu einem der Highlights auf dem Weg. Den ganzen Tag hörte ich nichts um mich rum, außer dieses schlürfende und matschende Geräusch, wenn man den Schuh aus dem Matsch zieht und es roch so toll nach Moos. Durch die warme Sonne dampfte das Moor regelrecht. Einfach herrlich. Einziges Manko: die Mücken.
Stundenlang lief ich durch dieses Hochmoor, ab und an standen die dürren Nadelbäume etwas dichter und dann ging's wieder über weite Flächen. Ich hangelte mich orientierungstechnisch von einem Pfeiler mit rotbemaltem Ende zum nächsten. Bei Nebel wäre das mit Sicherheit nicht lustig gewesen, aber bei so einem Kaiserwetter ein absoluter Traum. Mitten im Nirgendwo kam ich dann in einem Waldstückchen an einem riesengroßen Stein im Boden vorbei. Dort hatten sich seit ewigen Zeiten Wanderer auf dem Stein verewigt und ich versuchte so manch einen Text zu entziffern. Nach der kleinen Lesepause stapfte ich weiter. Der Weg wurde zunehmen trockener, der Wald mehr und so langsam hatte ich das Moor hinter mir gelassen - eigentlich schade. Hatte trotz nasser Füße unglaublichen Spaß gemacht. An einem etwas höher gelegenen Pauseplatz mit toller Aussicht auf das Tal vor mir, wahrscheinlich das von Skaun, machte ich länger Pause. Die Zeit war so schnell vergangen beim Laufen durch das Moor, dass ich nicht wirklich gemerkt hatte, dass Mittag schon lang durch war und ich eigentlich was essen sollte.
Ich sah vielleicht aus, die ganze Hose war matschig braun und von den Schuhen war eigentlich gar nix mehr zu erkennen - alles ein Matschklumpen. In Skaun sollte es angeblich für wenig Geld die Möglichkeit geben, im Gemeindehaus übernachten zu können. Wäre für heute ne Maßnahme, dachte ich, musste irgendwie die Schuhe trocken bekommen. Im Zelt würde das nicht wirklich klappen. Man kann ja über die Altras sagen was man will, aber die trocknen sogar beim Laufen am Fuß. Im Gegensatz zu den Tretern, die ich an hatte.
Laut Karte waren es noch etwa 10 Kilometer bis nach Skaun und so machte ich mich gemütlich auf in diese Richtung. Das Wetter präsentierte sich immer noch von seiner guten Seite: ein paar Wolken waren zwar aufgezogen, aber es war warm und vor allem trocken. Der Weg führte durch viel Wald stetig leicht bergab und endete plötzlich an einem großen Bauernhof. Dort machte ich nochmal kurz Pause an einer kleinen überdachten Pauseplatz. Neben dem Platz werkelte ein älterer Bauer rum, der mich auf norwegisch zutextete. War ihm scheinbar auch völlig egal, dass ich ihn nicht verstand. Er schenkte mir eine Art Lakritzbonbon und verschwand dann immer noch erzählend in der Scheune des Hofs. Ich machte mich auf in Richtung Gemeindehaus. Ab hier verliefen die letzten Kilometer über Asphaltstraßen. Von Weitem konnte man die Kirche von Skaun schon sehen, ein richtiges Dorf drumherum gab es aber nicht. Kirche, Gemeindehaus, Schule eine Handvoll Häuschen und ein Einkaufszentrum - das war Skaun. Ich wurde am Gemeindehaus auch schon erwartet - der ältere Bauer hatte seiner Schwiegertochter bescheid gegeben, dass da wohl vielleicht jemand übernachten wolle im Gemeindehaus. Und die hatte zufälligerweise die Hoheit über die Schlüssel für das Gemeindehaus und die Kirche :-) praktisch, musste ich nicht rumtelefonieren für einen Schlafplatz und eine Kirchenführung konnte ich so auch gleich klar machen.
Schnell war alles erklärt, bezahlt und auch ein Termin für die Besichtigung der Kirche am Abend ausgemacht. In dem großen Saal baute ich mir eine der bereitgestellten Liegen auf und nutzte gleich mal den supergenialen Schuhtrockner! Ein Föhn mit langen Staubsaugerrüsseln dran, die in die Schuhe gesteckt wurden - konnte man zuschauen beim Trockenwerden, klasse Ding das. Ich machte eine Runde Wäsche und hängte alles zum Trocknen an eine Wäscheleine in den Wind. Nach einer leider lauwarmen Dusche und mit sauberen Klamotten lief ich los zum Einkaufen. Das letzte Mal vor Trondheim den Vorrat aufstocken. Mit etwas Knabberkram, einer Hartwurst, einem kleinen Stück Käse, einer 0,5er Cola, zwei Äpfeln und zum Heulen viel weniger Geld in der Tasche kam ich wieder und setzte mich mit meinen Errungenschaften vor das Gemeindehaus, neben meine flatternde Wäsche und machte lecker Brotzeit.
Der Kindergarten und die Grundschule war genau neben dem Gemeindehaus und ein Schwung Knirpse spielten im Garten, kamen dann aber zu mir rüber inklusive der Lehrerin und fragten mir über meine Wanderung regelrechte Löcher in den Bauch. Unglaublich wie gut die vielleicht im Schnitt 7 oder 8 Jahre alten Zwerge Englisch sprachen. Einfach klasse, ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Einer der Jungs war Fan von Bayern München und kannte sich in der Bundesliga super aus. Der strahlte über das ganze Gesicht, dass er sich mit mir über die Bundesliga unterhalten konnte. Dann war wohl Feierabend für die Kids, denn einer nach dem anderen wurde abgeholt. Lang saß ich auch nicht mehr draußen, denn der Wind wurde zunehmends kälter. Meine mittlerweile trockenen Wäsche nahm ich mit und verkrümelte mich nach drinnen.
Die Zeit bis zur Kirchenführung um acht Uhr verbrachte ich mit "In-meinem-Wanderbüchlein-Lesen", Tagebucheintrag-Schreiben und mit Daheim-Telefonieren. Als ich mich gerade fertig machte für die Führung, stand Robert in der Tür. Wieder ziemlich am Ende und matschig braun von oben bis unten. Er wollte unbedingt mit in die Kirche und so wartete ich auf ihn mit der Dame vor der Kirche. Es dauerte ein paar Minuten und wir konnten los. Die Führung war super und die Kirche konnte sich sehen lassen. Wobei mir die Holzvariante in Ringebu wesentlich besser gefallen hatte. Nach der Führung gingen wir beide zurück ins Gemeindehaus, Robert baute ebenfalls eine Liege im Saal auf und versuchte seine total dreckigen Klamotten sauber zu bekommen. Er hatte sich im Moor unfreiwillig lang gemacht. Dummerweise gerade an einer besonders matschigen Stelle. Auch er war begeistert von dem Schuhtrockner, der sich ebenfalls prima als Hosentrockner eignete. Wir tranken dann gemeinsam eine Kanne Tee, ratschten noch einige Zeit bis jeder von uns es sich auf seiner Liege bequem machte und beide recht schnell einschliefen.
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
Noch so Wandersüchtige: www.wanderbursche.net / www.soultrails.de / darwinonthetrail.com
Und hier, einfach nur toll: www.illpushyou.com