Der Beginn des letzten Lauftages war ein toller: bei strahlend schönem Wetter startete ich nach einem kurzen Frühstück meine Etappe nach Trondheim. Endspurt. Etwas wehmütig trottet ich das erste Stück auf dem Radweg neben einer Straße her. Nach einiger Zeit bog der Olavsweg nach links auf eine kleinere Nebenstraße ab. Dort ging es den Hügel hoch an kleinen Ortschaften vorbei. Alle paar Kilometer standen zu meinem Leidwesen Wegweiser mit der Entfernung zum Nidarosdomen drauf rum - sowas von unnötig. Warum das unbedingt jetzt nur auf der letzten Etappe so sein musste war und ist mir ein Rätsel. Für mich war das Erreichen von Trondheim kein Gefühl von "endlich am Ziel", sondern eher ein "schade, schon am Ziel". Der Weg führte über Asphalt und Schotterpisten hügelauf hügelab, ich hatte es nicht wirklich eilig und so trödelte ich regelrecht und machte viele Pausen.
Am späten Vormittag änderte sich der Weg von Schotterpiste zu einem schönen Trampelpfad durch Wald, Wiesen und sogar durch einige Stückchen Hochmoor mit den tollen Laufbrettern über matschendes Moor. Lief sich herrlich und ich war wirklich traurig, dass das heute vorbei sein sollte. Die Kilometerangaben auf diesen doofen Schildern verringerten sich immer mehr und die Anzahl der Menschen, die mir hier über den Weg liefen, stieg. Man merkte, dass die Stadt näher rückte. Nach einem kleinen schönen Waldstücken spuckte mich der Weg auf der Kuppe eines Hügels auf einer weiten Wiese mit tollem Pauseplatz-Stein aus. Bei strahlendem Sonnenschein machte ich dort lange Pause. Die Aussicht war klasse: vor mir unterhalb des Hügels lag ein kleiner See mit einem riesen Schwarm lärmender Möwen drauf, drumherum nur Nadelwald und in der Ferne konnte man den Fjord von Trondheim erkennen und sogar einige Teile der Stadt ebenfalls. Noch waren es etwa 10 Kilometer bis zum Dom.
Nach gut einer Stunde Sonnenbaden auf schickem Pause-Stein packte ich meine Sachen zusammen und lief weiter. Über die letzte Zauntreppe und dann einen uuunendlich langen Teerweg im Zick Zack den Hügel runter durch die Vorstadt von Trondheim. Ungefähr auf der Hälfte des Hügels kam man an dem Platz vorbei, an dem man den Dom das erste Mal so richtig sehen konnte. Meine Füße jaulten ordentlich über diese Teerlatscherei bergabwärts und so war ich ehrlich froh, als ich unten am Fuße des Hügels endlich auf ebener Strecke meinem Endziel näher kam. Es ging im weiten Bogen am Fluss Nidelva entlang, unter eine großen Brücke durch und schon stand ich in den Parkanlagen unterhalb des Nidarosdoms. An der Olavsquelle, die für meinen Geschmack eher mal unspektakulär war, machte ich kurz Halt, um den obligatorischen Schluck Wasser zu nehmen. Danach vollendete ich die Runde um den Dom und lief vorbei an der Pilgerherberge von hinten über den Friedhof zum Dom den kleinen Hügel hoch. Dann stand ich auch schon auf dem großen Vorplatz der Kathedrale, machte noch ein Foto am "0-Stein" bzw. lies eins machen und setzte mich erstmal an den Rand des Platzes, lies diesen riesen Steinhaufen vor mir auf mich wirken und schaute den ganzen Menschen zu, die hier rumwuselten.
Keine Ahnung, wie lange ich da gesessen bin. Irgendwann fing ich an zu frieren, lief zurück zur Pilgerherberge und sicherte mir ein Bett für die Nacht. Beim Einchecken im Pilgerbüro wurde man regelrecht ausgefragt über die persönlichen Eindrücke vom Weg, über die Meinung zu den leider vielen geschlossenen Kirchen am Weg und auch über die persönlichen Motive den Weg zu gehen. Auch der letzte Stempel im Pilgerpass wurde einem fast schon aufgedrängt ;-) und um die Urkunde kam ich auch nicht drumherum. Zugegeben, die sah bzw. sieht auch wirklich gut aus.
Die Pilgermesse sollte um 18.00 Uhr beginnen, der Dom würde dann nur für die Pilger aufgemacht werden und das konnte ich mir nun wirklich nicht entgehen lassen. So huschte ich schnell unter die Dusche, breitet mich auf meinem zugeteilten Bett aus, aß noch einen Schokoriegel und schlenderte danach gemütlich rauf zum Dom. Auf dem Vorplatz waren kaum noch Menschen unterwegs und so leer sah das Ganze noch imposanter aus. Ein riesiger grauer Steinkoloss, der hier stand. Innen kam mir der Koloss noch "kolossiger" vor und mit den hübschen bunten kleinen Fensterchen, durch die das Licht von draußen einfiel, auch sehr hübsch anzusehen. Ich setzte mich auf eine der Bänke und schaute nur die Fenster an. Um punkt 18.00 Uhr waren wir dann genau zu viert in diesem riesen Dom...hatte echt was! Die Pilgermesse war nicht allzu lang, das Ganze dauerte vielleicht eine Viertelstunde. Das Orgelspiel auf dieser riesigen Orgel war ein echtes Highlight und hätte meinetwegen gerne noch etwas länger dauern können. Nach der Messe schlenderte ich noch um den Dom über den Friedhof und über eine kleine Brücke nach Trondheim rein. Hier gab es viele kleine Kneipen, Restaurants und Cafes. Ich entdeckte einen kleinen Dönerladen und holte mir eine Art "Roll-Kebap" - da hatte ich voll Bock drauf. Gemütlich mümmelte ich das Ding im Laufen und schlenderte an einem kleinen Hafen entlang und durch hübsche enge Gässchen der Innenstadt.
Kurz vor neun Uhr machte ich mich auf den Weg zurück zur Pilgerherberge. Es waren nicht viele Leute da, die heute übernachten würden. Ein Vater-Sohn-Gespann aus Bayern war gerade erst angekommen und saß im Foyer bei heißem Tee und ruhte sich aus. Beide aus Miesbach, der Vater stolze 82 Jahre alt und der Sohn wohl Mitte 50 oder so. Ich setzte mich dazu und lies mir einen der bereitgestellten Tees schmecken. Die zwei waren seit gut zwei Monaten unterwegs und würden am morgigem Tag genauso wie ich nach München fliegen, nur knappe zwei Stunden später. Ich war etwas überrascht, dass die beiden mit dem Flieger fliegen würden, mit dem ich ursprünglich geflogen wäre und der angeblich gecancelt wurde. Da war mal kurzzeitig der Hals dick wegen dieser dämlichen Fluggesellschaft! Wir unterhielten uns noch ein Weilchen, dann verabschiedete sich jeder ins Bett. Wir verabredeten uns für den Morgen zu einem ausgedehnten Frühstück im Städtchen, unsere Flüge würde ja erst am Nachmittag gehen und der Weg vom Bahnhof Trondheim bis zum Flughafen dauerte mit dem Bus nicht allzulange. Bei mir im Zimmer waren noch drei weitere Betten belegt, die Leut waren allerdings noch nicht da. So machte ich mich in aller Ruhe bettfertig, kuschelte mich in meinen Schlafsack und war auch recht schnell im Land der Träume.
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
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