Was war das für ne Nacht gewesen...trotz Pferdesalbe hatten mich meine Waden und Fußsohlen ordentlich wach gehalten und dementsprechend bescheiden geschlafen hatte ich auch. Gegen halb acht Uhr morgens schälte, oder besser, quälte ich mich aus dem Schlafsack und packte zusammen. Im Kiosk schlürfte ich in Ermangelung eines heißen Kaffees eine kalte Cola. Tat's auch. Bei leichtem Nieselregen ging es zuerst schön am See entlang, vorbei an dem kleinen Städtchen Moelv, ab und zu durch waldige Abschnitte. Dann fing das Straßengelatschte an: anfangs fand ich's noch nicht wild, der Weg führte im Zick und Zack nen Hügel hoch, an einem Rehazentrum oder so etwas in der Art vorbei, danach immer an der zum Glück wenig befahren Straße entlang. Jedes Stückchen Waldweg, Trampelpfad oder Feldweg wurde von mir innerlich gefeiert. Diese Schotterpisten waren lauftechnisch kaum anders als die Asphaltstraßen, und so machte der Teil nicht viel Spaß. Also Kopfhörer ins Ohr, Runrig laut aufgedreht und ab ging's. Weiter durch Brottum durch, dann wieder runter an den See immer in Richtung Lillehammer. So alle 5 Kilometer machte ich eine kleine Pause, um meine Füße gnädig zu stimmen. Blöderweise nieselte es schon den ganzen Tag lang und so konnte ich mich nicht wirklich irgendwo in die Wiese fläzen zum Ausruhen, war schlicht zu nass.
In Brottum hatte ich eine Gruppe Wanderer überholt, die dort vor dem Kiwi mini, einem Supermarkt, standen. Diese Gruppe holte mich jetzt durch meine vielen Pausen wieder ein. Ein Haufen Holländer, die sich genauso über die Schotterpisten schleppten, wie ich. Sie waren allerdings erst in Brottum gestartet und wollten heute bis zu einem Campingplatz weit hinter Lillehammer. Alle so um die 70 Jahre alt und -so hatte ich es zumindest verstanden- ehemalige Schulkameraden, die jedes Jahr eine mehrwöchige Wandertour machten. Die fünf Jungs waren echt nett und eine willkommene Abwechslung und so ging es ratschend und tratschend die nächsten Kilometer dahin. Kurz vor Tonnevold hatten alle, mich eingeschlossen, die Nase vom Asphalt und Schotter voll und es wurde kurzerhand ein Großraumtaxi geordert, um die restlichen paar Kilometer nach Lillehammer zu fahren. Dort wollte ich eigentlich dann weiterlaufen, aber die Jungs überredeten mich noch auf eine kurze Pause in einem kleinen Café. Die Pause wurde dann doch was länger ;-) meinen Fußsohlen tat's gut.
Draußen fing es jetzt richtig an zu regnen und irgendwie wollte keiner so recht los. Bis zu deren angepeilten Campingplatz wären es noch 17km und einige der Jungs wollten die Strecke nicht mehr laufen. Es wurde eifrig diskutiert, da in dem holländischen Wanderführer die Beschreibung des Weges eine andere war, als die in der englischen Variante, die einer dabei hatte. Und in meinem gelben Outdoor-Buch stand es nochmal anders drin. Was bei allen recht gleich klang, war der generelle Tenor "Asphaltstrecke" und so fand ich mich am Ende diesen Tages mit einer lustigen Truppe Holländer im Zug Richtung Grandrudmoen sitzend wieder. Viel Überwindung hatte es mich nicht gekostet, das bisschen Strecke abzukürzen...Die Fahrt war nach knappen 10 Minuten rum und nach einem kurzen Stückchen Fußmarsch vom Bahnhof Hunderfossen war der Campingplatz erreicht. Der lag richtig niedlich auf einer kleinen Halbinsel, die in den Fluss Gudbrandsdalenlagen ragte (der Mjosa-See endet bei Lillehammer und geht dann in den Fluss Gudbransdalenlagen über).
Es schüttete jetzt so richtig und jeder baute schweigend so schnell wie möglich das Zelt auf und machte sich auf in Richtung Dusche. Der Abend wurde noch recht lang und seeehr lustig - Thema war Fußball ;-) genauer gesagt die kommende WM im nächsten Jahr. Die Jungs ließen sich herrlich aufziehen und als sich dann noch drei Norweger dazu gesellten, entbrannte ein richtig gute Fußball-Debatte. Ich fand's toll!
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
Noch so Wandersüchtige: www.wanderbursche.net / www.soultrails.de / darwinonthetrail.com
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