Was hatte ich einen Muskelkater, als ich am nächsten Morgen aufstand -Memo an mich und alle die, die kein Muskelkater haben möchten: Magnesium abends nicht vergessen- etwas "unrund" eierte ich ins Bad und erkundete danach die Küche. Musste ja zum ersten Mal nicht meinen Espitkocher auspacken, sondern konnte die Küche in der Herberge nutzen. So machte ich mir einen riesen Pott Kaffee, lecker Porrige und plünderte den von der Herbergsbesitzerin bereitgestellten Obstkorb. Die beiden Mädels lagen noch in den Federn, als ich mein Zeug leise packte und mich in Richtung Kirche aufmachte. Um kurz nach acht Uhr hatte mir die Herbergsbesitzerin jemanden mit Schlüssel organisiert, sodass ich mir die Kirche auch von innen anschauen konnte. Normalerweise öffnete die nämlich erst um neun Uhr ihre Pforten für Besucher. Also, man kann von Kirchen halten was man will, diese sollte jeder, der hier lang kommt, gesehen haben. Eine wirklich tolle Stabkirche, von außen und noch mehr von innen. Alles aus Holz, sehr duster aber echt sehenswert. Nach der Besichtigung schlenderte ich noch ein bisschen über den Friedhof und folgte dann wieder dem Olavsweg. Durch kleine Ortschaften und an Gehöften vorbei, über Wiesen- und Feldwegen immer weiter das Gudbrandstal hinauf. Das Wetter war so lala, die Wolken rückten doch recht weit nach unten und schon bald nieseltes es wieder und ein echt schneidender, a...kalter Wind drückte ordentlich von vorne! Der Weg folgte einem langen Ziehweg durch schönen Kiefernwald. Jedes Mal, wenn ich zum Fotografieren stehen bleiben wollte, wurde ich von Unmengen von Mücken angefallen. So waren die ersten Bilder durchweg verwackelt.
Meine erste Pause machte ich an einem schicken Fluss, auf einem eigentlich viel zu zugigen großen Stein - aber nur so konnte ich sicher sein, dass mich die hungrigen Stechviehcher in Ruhe lassen würden. Herrlicher Platz, mit Angel wäre er noch besser gewesen. Weiter ging's danach durch tollen Wald über Stock und Stein - die Landschaft hatte was von Ronja Räubertochter und so flogen die Kilometer nur dahin. Kurz nach Mittag erreichte ich die E6 - nun hieß es die nächsten Kilometer an der Leitplanke entlang das Tal hinauf zu laufen. Zu dem schneidigen Wind gesellte sich jetzt auch feiner Nieselregen und machte so das Laufen entlang der befahren Straße jetzt nicht unbedingt zu einem Highlight. Am Pilgercenter Gudbrandsdalen legte ich wieder eine Pause ein. Drinnen wurde ich mit lecker Keksen und einem heißen Kaffee von vier ältere Pilger aus Irland bzw. Wales und dem Leiter des Centers begrüßt. Eine lustige Truppe, die sich dort in der warmen Stube scheinbar schon länger festgeratscht hatten und sich rege über alles mögliche unterhielten. Als ich den zweiten Kaffee fertig geschlürft hatte, machte ich mich wieder auf den Weg. Es schien, als hätte der Regen kurz mal eine Pause eingelegt - also schnell los. Das hielt leider nicht lange an - der Regen wurde leider wieder doller. Wenigstens war nach ein paar Kilometer der blöde Teil an der E6 vorbei und es ging einen schmalen Trampelpfad entlang. Zuerst durch kleine Birkenwäldchen und dann durch hohe ungemähte Wiesen - ab dem Zeitpunkt waren die Schuhe dann doch nass - immer in Richtung Sygard Grytting. Laut meines Buches ist das "DIE" Herberge auf dem Olavsweg: ein mittelalterliches Anwesen, das von den Besitzern schon in der x-ten Generation als Herberge betrieben wurde. Gegen kurz vor vier erreichte ich ziemlich triefend das echt mehr als ansehnliche Anwesen. Nachdem es eine Weile gedauert hatte, bis ich den Besitzer ausfindig machen konnte, zeigte der mir den Schlafraum und erklärte mir, wo ich Küche und Dusche finden konnte. Nachdem auch das Finanzielle geregelt war, konnte ich mich endlich trocken legen. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus - ein Hof von ca. 1400, toll hergerichtet als Herberge. Die Bettengröße und auch Zimmerdeckenhöhen waren mehr was für Hobbits - selbst ich musste meinen Kopf an den Türzargen einziehen...und das soll was heißen ;-)
Die ganze Herberge bestand aus Holz und war in dieser typischen Stabbauweise gebaut. Über eine Treppe ging es hoch zu den Schlafräumen und im Erdgeschoss lagen eigentlich nur zwei kleine "Essräume". Alles ohne elektrisches Licht und schön schummrig. Die Dusche war der Hammer: außen Mittelalter, aber innen vom Feinsten. Hier gab es Licht und eine Steckdose und sogar ne Fußbodenheizung! Ich breitet alles zum Trocknen in dem Schlafraum aus, Platz war da für 20, und hüpfte unter die heiße Dusche. Herrlich sauber, trocken und erfrischt setzte ich mich mit meinem Essensbeutel auf die Bank vor dem Schlafraum und mümmelte eine komplette Packung Nüsse weg. Danach gab's dann auch noch ein bisschen Wurst und Pemmikan mit einem heißen Kaffee. Mittlerweile hatte es aufgehört zu regnen und ein paar blaue Flecken zeigten sich am Himmel und so genoss ich die Ruhe und die schöne Aussicht vom Balkon aus auf das Tal. So gegen sechs Uhr trudelten dann die vier Pilger, die ich im Pilgercenter kennengelernt hatte, ebenfalls ein. Eine herrliche Truppe: Dan und Jean aus Irland, Jeanne aus Holland und Peter aus Wales. Peter wurde auf Grund seiner Größe zu mir in den Raum in eines der "Hobbit-Betten" einquartiert, die anderen bekamen die etwas längeren Betten im Nachbarraum zugeteilt. Die vier hatten telefonisch reserviert und zudem auch Abendessen gebucht. Das war mir einfach zu teuer gewesen, mir reichten schon die 500 NOK für's Schlafen.
Es wurde noch ein herrlicher Abend. Wir machten es uns zusammen in der kleinen Küche warm und gemütlich und ratschten über Gott und die Welt. Dan nahm alles und jeden mit seinem iPad auf - lief mit dem Ding filmend über den kompletten Hof und kommentierte alles. Das Ganze zum Leidwesen seiner Frau, die lauf schimpfend hinter ihm her tappte und ihn jedesmal vor Stufen oder anderen Stolperfallen warnte. Monty Python lässt grüßen. Alle vier waren wohl so zwischen 60 und 70 und hatten sich im vergangenen Jahr auf dem Franziskusweg kennengelernt. Peter und Jeanne machten solche Touren öfter, meist jährlich, und für die anderen beiden war's nun der zweite Fernwander- bzw. in ihrem Fall Pilgerweg. Erst kurz vor Mitternacht löste sich die illustre Runde in Richtung Schlafräume auf. Diesmal dachte ich an meine Magnesium... ;-)
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
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