Ich hatte in dem mittelalterlichen Bett (-gestell) mehr als gut geschlafen - selbst meinen unruhigen Zimmerkollegen und auch die anderen Zimmernachbarn, die wohl altersbedingt häufiger auf's stille Örtchen mussten, hab ich nur anfangs mitbekommen. Und das obwohl Türen und auch die Holzbohlen recht laut knarzten. Zum Frühstück saßen wir alle in gemütlicher Runde bei Porridge, Marmeladen-Broten und einer großen Schüssel Rührei (was ne Kombo) zusammen und machten da weiter, wo wir am Abend zuvor aufgehört hatten: beim Ratschen. Die vier diskutierten eifrig über deren geplante Strecke für den Tag. In den verschiedenen Büchern zum Olavsweg ist das mit den Angaben über Wegbeschaffenheit und den Kilometerangaben so ne Sache. Jedes Buch erzählt was anderes und so waren die vier sich uneins darüber, ob sie die ganze Strecke bis zu ihrer gebuchten Unterkunft in Klomstad laufen oder ein Stückchen mit dem Bus fahren sollten. Mir war's egal - ich wollte soweit laufen, wie meine Füße es zuließen, das Wetter mitspielte und ich Lust und Laune hatte. Vermutlich bis Kvam. Deshalb verabschiedete ich mich von der Truppe, packte meine Klamotten zusammen und machte mich auf in Richtung Kvam.
Und prompt ein paar Kilometer nach meinem Start fing es wieder an zu regnen, also Gummizeug an und weiter. Es ging ordentlich bergauf bergab und das war mit der Regenklamotte wirklich schweißtreibend. Der Weg führte wie eine Achterbahn rauf und runter über Wiesen, durch schönen Wald und auch einmal durch einen kleinen Fluss. Wettertechnisch war's nicht wirklich toll - das einzig Gute an dem Regen war, dass die Mücken nicht unterwegs waren. Kurz vor dem etwas größeren Dörfchen Vinstra kam plötzlich Wind auf, der vertrieb die Wolken und die Sonne kam raus. Da ich meine Vorräte aufstocken wollte, machte ich den Abstecher nach Vinstra. Einen echt langen und steilen Berg über Teerstraße runter, dort dann in ein riesiges Einkaufzentrum und danach den blöden Hügel mit vollem Rucksack auf Teer bei mittlerweile richtig schönem Sonnenschein wieder hoch...puh, was war das anstrengend gewesen. Die nächsten Stunden machte der Weg ordentliche "Wellenbewegungen" - rauf runter, rauf runter, rauf runter und das Ganze immer auf dem direkten Weg. Ohne großartige Serpentinen oder so, nööö immer steil hoch und dann wieder steil runter. Mitten im Wald stand ich dann auf einem der Runterwege plötzlich vor einer riesigen Giraffen-Statue. Was auch immer das Ding dort machte oder sollte, es war ein prima Anlass zu einer ausgedehnten Pause. Musste mich sowie so mal trocknen, hatte ziemlich geschwitzt. So zog ich die Schuhe und Socken aus, breitete meinen immer noch nassen Regenponcho aus und machte es mir unterhalb der Giraffe mit einem lecker Apfel gemütlich.
Eine gute halbe Stunde später stopfte ich alles wieder in meinen Rucksack und stiefelte weiter durch den Wald immer leicht bergab. Plötzlich hörte der Wald auf und ich stand auf einer breiten Teerstraße. Das ganze Tal lag offen vor mir, ein herrlicher Anblick. Nun waren es nur noch ein paar Kilometer bis Kvam, das Örtchen konnte ich in einiger Entfernung das hübsche Tal raufwärts erahnen. Kurz vor dem Ort sollte es laut dem Buch eine kleine aber feine Herberge geben und da ich irgendwie auf den Geschmack gekommen war, peilte ich diese auch an. Der Weg über die Straße zog sich und es dauert noch mehr als eine Stunde bis ich vor dem Schild und der Abzweigung nach Ovre Kjaestad, der besagten Herberge, stand. Hier ging es den Berg wieder hoch, bis der Weg an einem hübschen Hof endete. Leider war hier alles verriegelt und keine Menschenseele da. Nach einem Rundgang ums komplette Anwesen und einer kleinen Snackpause auf der niedlichen Veranda mit herrlichem Blick ins Tal, versuchte ich den Besitzer bzw. die Telefonnummer ausfindig zu machen. Nach einiger Suche im Netz wurde ich fündig und nach einem kurzen netten Telefonat wusste ich erstens, dass keiner mehr kommen würde, zweitens, dass ich das Zelt aufstellen durfte und drittens, wo der Haustürschlüssel versteckt war, damit ich meine Wasservorräte auffüllen konnte. Nettes Völkchen die Norweger und so schön unkompliziert.
Schnell war ein geeigneter Platz gefunden, mein Zelt aufgestellt und alles verräumt. Ein paar heiße Schokoladen und eine ganzen Hartwurst (meine erste Rentier-Hartwurst...lecker) mit etwas Schüttelbrot später, lag ich auch schon in meinem Schlafsack. Es dauerte auch nicht lange und ich war eingeschlafen.
Wenn mich jemand fragt, warum ich jede freie Minute und Urlaube meinen Rucksack packe und alleine losziehe - keine Ahnung, ich kann's ehrlich nicht erklären, warum ich das mache. Nur eins kann ich mit Gewissheit sagen: es macht definitiv süchtig!
Allein unterwegs zu sein - jeden Tag wo anders zu sein - nicht zu wissen, wo man am Ende des Tages landet - die Natur zu genießen - all das sind so die typischen Antworten, die man dann auf solche Fragen gibt.
Goethe beschreibt es meiner Meinung nach ziemlich gut und bringt es mit einem einfachen Satz auf den Punkt: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich!"
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